Unklare FORMen in Ideologisierung
Für einen tieferen Einblick in meine Konstruktion eines an ihrer Funktion organisierten Ideologie-Begriffs möchte ich auf meine Artikelserie in meinem Blog s y s t e m z e i t Im Gleichschritt Marsch verweisen.
Bei Ideologien geht es um Gleichschaltung (von sich selbst und von anderen) und um Beruhigung von Sicherheitsängsten – oder, um es in FORMenbegriffen zu sagen: Es geht um einen kontrollierten/kontrollierenden Umgang mit dem Unbestimmten.
Ideologien arbeiten mit Dogmen, Nicht-Hinterfragbarkeiten, sie arbeiten außerdem nach dem Prinzip "Du gehörst dazu, Du nicht" – wie große Cliquen. Die Gruppe, Gemeinschaft, Organisation vermittelt Sicherheit, die Sprache ist auf der Oberfläche attraktiv und simpel, um möglichst viele ins System zu ziehen, darunter aber häufig stark spezialisiert und schwer zugänglich, um größt mögliche Gleichschaltung zu schaffen und Linientreue zu gewährleisten.
Solche Ideologien, die sich Kategorien verwechselnd mit (scheinbar) wissenschaftlichen Methoden und Theorien abzusichern versuchen, lassen FORMen ungeklärt, die geklärt werden könnten, die zu klären aber bedeutet, dass mit ihrer Bestimmung das Modell, an dem sich die Gruppe gleichschaltet, nicht mehr in der Form aufrecht erhalten werden kann.
Ralf Peyn schreibt in uFORM iFORM (https://www.uformiform.info/): "Ich nenne Formen, die nicht oder nur zum Teil mit dem FORMcalculus zumindest algebraisch interpretiert/prozessiert werden können, unklare Formen. Einige unklare Formen können geklärt werden."
Kunst arbeitet mit unklaren FORMen: Das Kunstwerk sieht für jeden Beobachter anders aus. Ralf führt ein hübsches Beispiel für eine unklare FORM vor: "Ich verdukaschiere Sie mit meines Autokling".
Unklare FORMen werden geklärt, indem sie repariert werden. (In uFORM iFORM geschieht das mit der "Kontingenten Algebraischen Ergänzung".) Was an ihnen nicht stimmt, wird so umgebaut/umgestellt/ergänzt, dass sie konsistent, konkret, geklärt werden. Nicht alle unklaren FORMen können oder müssten in bestimmte FORMen überführt werden. Beim Nachdenken über die Konstruktion des Begriffs (Bilds, Zeichens, der Formel ...) kann es auch passieren, dass wir feststellen, dass wir gar nichts mit der FORM anzufangen vermögen, dass sie sich auflöst, "leer" wird, wie wir im Kalkül sagen. Oder aber, sie wird unbestimmt (keine Ahnung, was das sein könnte) oder zur imaginären FORM (ich stelle mir vor, das ist ein Gnu).
Wir können mit unbestimmten und imaginären FORMen rechnen. Sie sind kein Problem. Wir können auch unklare FORMen erst einmal im Kalkül (Modell, in der Hypothese) mittransportieren – auch das geht. Was aber zur Modellschwäche wird, sind unklare FORMen, die nicht als unklar, sondern als bestimmte FORMen gekennzeichnet werden oder aber solche, wo sich diejenigen, die mit ihnen hantieren, weigern, sie in unbestimmte, imaginäre, leere oder bestimmte zu überführen, obwohl sie es könnten.
Und das ist das, was im Prozess des Übergangs von Weltanschauung (offener Orientierung) zu Ideologie (gleichschaltender Orientierung) immer passiert. Das Dogma darf nicht hinterfragt werden, der Hinterfragende wird selbst zum Teil der Ideologie. Er wird psychologisiert, seine Motive werden einsortiert. Das Hinterfragen des Dogmas und des ideologischen Zweckes wird tabuisiert.
Deutlich sieht man das bei spirituellen Ideologien und bei politischen, die in Richtung Extremismus rutschen. Der CDU-Politiker sagt schon aus Prinzip in den Augen des Linken nichts Vernünftiges, der Forscher, der den Glaubenssatz der "Informationsübertragung" des versuchsscientifizierten integralen Denkers hinterfragt, wird über Spiral Dynamics im "First Tier" einsortiert.
Schauen wir uns das am Beispiel des Informationsbegriffs an. Ich habe ihn auf Grundlage der Konstruktion von Niklas Luhmann (Luhmann, Soziale Systeme) in meinem Artikel ¡nFORMat¡on und auf Grundlage unserer Arbeit FORMWELT (https://formwelt.info/de) für autopoietische Systeme so geklärt, dass er in Richtung höherer Dimensionierung und Differenzierung in Reorganisation des Unbestimmten aufschließen kann.
Ralf und ich begreifen Information als Ereignis, das Systemzustände selegiert und gehen davon aus, dass autopoietische Systeme sich selbst informieren. Information kann nicht in sie hineinproduziert werden. Das weiß jeder, der einmal versucht hat, sich im Streit dem Gesprächspartner gegenüber zu klären.
Der Begriff der "Connectedness", der mit dem Gedanken einer grundlegenden Möglichkeit von Informationsübertragung verbunden ist, funktioniert so nicht.
Er kann aber repariert werden – so die Bereitschaft dazu besteht, sich und andere nicht mehr mit kategorieentführten Konstruktionen aus der Physik aufzuhalten, sondern mit Konstruktionen aus der Systemik zu arbeiten. Hier sehe ich Möglichkeiten, es über ein tieferes Nachdenken über strukturelle Kopplung und Rhythmisierung zu versuchen, wie es Franz Friczewski zum Beispiel macht: https://technikundmimesis.wordpress.com/author/franzfriczewski/
Das Gleiche gilt für Homöopathie, die ebenfalls den Fehler begeht, mit Begriffen aus der Physik zu hantieren. Ich kann nur vermuten, dass das eine alte Angewohnheit ist, die davon ausgeht, dass wenn es gelingt, physikalische Konzepte zur Begründung heranzuziehen, die ganze Sache seriöser/bewiesener/wirklicher – und damit auch materieller – wirkt. Das misslingt aber in beiden Fällen und trägt in den Augen jener, die sich mit den Konzeptionierungen wirklich auskennen, zum Gegenteil mit bei. Hier sieht man den Prozess der Ideologisierung dann im Streit mit Skeptikern und unter den Splittergruppen, deren Neigung, Dachorganisationen zu bilden (und damit ihren eigenen Untergang vorzubereiten), nicht zu übersehen ist:
Die Streitenden bezeichnen sich gewöhnlich gegenseitig als rückständig. Alle haben sicherlich ihre Behauptungen und vielleicht sogar Herleitungen, jedoch Rhetorik und Wissen sind nicht dasselbe, und erst recht nicht Rhetorik und Forschung, und die spirituelle Berechtigung wird nicht härter, wenn sie es mit falsch verstandenen Konzepten aus der Quantenphysik versucht.
Gelöst werden können solche Probleme so, dass diejenigen, die die Bereitschaft dazu besitzen, sich aufmachen, ihre unklaren FORMen klären und sich zunächst und vor allem Gedanken über die Funktion ihrer Modelle machen. Wissenschaft und Spiritualität/Religion sind verschiedene Subsysteme, die sich an verschiedenen Paradoxien über Code, Programm, Sachebene ... in Gesellschaft ausdifferenzieren.
Beide erfüllen in Gesellschaft und für die beteiligten Individuen wichtige Funktionen, beide haben ihre Berechtigung. Doch wenn die eine versucht, in die andere einzugreifen und das Sprachspiel der anderen für eigene Zwecke zu missbrauchen, kommt es aufgrund dieser Übergriffigkeit zu Konflikten.
Ursache dieser, Gesellschaft in ihrer Entwicklung langfristig auch hemmenden, Konflikte sind die unklaren FORMen, die als bestimmte FORMen kategorisiert werden, obwohl sie keine sind. Würden sie geklärt, müsste sich die Ideologie ihrer Funktion bewusst werden, auflösen und in Richtung Weltanschauung öffnen.
Dass unklare FORMen geklärt werden könnten, ist die Gefahr für die Ideologie. In Kunst, Forschungsprozessen und für Geheimdienste spielen unklare FORMen eine wichtige Rolle. Für Ideologien sind sie das Bollwerk der Verweigerung, das Dahinter transparent(er) zu machen, an dem Menschen sortiert werden und mit dem man im Zweifelsfall den Mensch zweiter Klasse erfindet, für den sogar, wie wir wissen, die Endlösung denkbar werden kann.