Meinungsoverflow und Gefallensentscheidungen – Haben wir ein Kompetenzproblem?

Ob in den Internetmedien, privat zuhause oder beruflich: Die Frage nach der Kompetenz der eigenen Entscheidung und damit auch nach der Validität der eigenen Ansicht zählt.

Egal, wie belanglos das Thema sein mag: In dem Augenblick, in dem andere betroffen sind, haben Entscheidungen Konsequenzen, die bedacht gehören. Streng genommen gilt das vergleichbar für Entscheidungen, die wir nicht kommunizieren, denn sie beeinflussen unser Denken, Sprechen und Handeln und haben somit entsprechend relevante Folgen.


Halten wir es erst einmal einfach und lernen zu gehen, bevor wir laufen.


Mit der Postmoderne (und damit mit Modellen wie Relativitätstheorie, Quantenphysik, Konstruktivismus und Systemtheorie) und mit den Komplexitäten von Globalisierung, Digitalisierung, Vernetzung und Wirklichkeitsemulation kommt eine Komplexitätsüberschüttung, die derzeit fast alle Lebensbereiche in den Industrienationen beeinflusst.

Und mit dieser Komplexitätsüberschüttung entwickeln sich neue Herausforderungen an Mensch und Gesellschaft, an Individuum und Gruppe. Für diese Herausforderungen braucht es neue Modelle und ein entsprechend angepasstes Training.

Da stehen wir aber gerade erst am Anfang – besonders, was die breite Masse angeht. Ausgerüstet mit unterkomplexen und lang schon nicht mehr zeitgemäßen Modellen und Handlungsanweisungen (konditioniert oder bewusst erlernt) wird versucht, den Komplexitäten so gut es geht zu begegnen, die Resultate sind allerdings eher beunruhigend - wenn nicht sogar alarmierend.

Ein paar Beispiele:

  • Rückgang von Lese- und Lernbereitschaft (vor allem Sachthemen betreffend, die ein Dazulernen erfordern).
  • Inkompetente Brauchbarkeitsentscheidungen nicht nur in privaten Angelegenheiten, sondern auch in Unternehmen und in Wissenschaft.
    Brauchbarkeit kann nur unter Berücksichtigung des jeweiligen Anwenders/Beobachters und des Anwendungs-/Beobachtungsbereichs als (begrenztes) Entscheidungskriterium fungieren. Man hat sich aber dummerweise angewöhnt, sie generalisierend sozusagen als wissenschaftstheoretischen Joker zur Rechtfertigung und Immunisierung eigener Interessen und Selbstbevorteilungen zweckzuentfremden.
  • Gefallens- und Mögensentscheidungen vor Kompetenzentscheidungen Innovationen betreffend.
  • Die Unfähigkeit Vieler, sich in Internetmedien mit anstrengenderen Themen zu befassen, wenn es keine Goldenen Gutscheine in Form von positiv bestärkender Reaktion der Autoren oder als stabilisierend empfundener Autoritätspersonen gibt.
  • Triggerentscheidungen, Triggerkommentare, emotionale Triggerreaktionen auf kognitive oder emotionale Überforderung im öffentlichen Raum ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für einen selbst oder für andere.
  • Mobbing und Bullying in öffentlichen Räumen.
  • Verstärkter Rückgriff auf ideologisch organisierte Modelle (Isolationismus, Nationalismus, Spiritualität, Links- oder Rechtsideologien, ideologisch organisierte Pseudowissenschaften (esoterisch oder skeptizistisch) u. a.)
  • ...

Die Folgen dieser Probleme haben nicht nur Einzelpersonen oder spezifische Gruppen (wie Familien oder Teams) zu tragen, sondern am Ende die ganze Gesellschaft.

Ich kann den wirtschaftlichen Schaden, der zum Beispiel durch den zweiten und den dritten Punkt verursacht wird, nicht ermessen, ahne aber seine Größe. Viele Global Player verzichten komplett darauf, neue Tools und Technologien zu entwickeln und zu fördern, die die Intelligenz des Menschen herausfordernd zu steigern helfen können (von Videospielen und anderen Zeitstrukturierungen einmal abgesehen). Solche Entscheidungen führen am Ende in die wirtschaftliche Sackgasse: Menschen, die sich trotz steigender Komplexität selbst nicht mehr herauszufordern wissen, werden irgendwann keine neuen Technologien mehr verkraften. Hier lässt sich mitlaufender psycho-sozialer Schaden erkennen, denn Menschen, die etwas nicht mehr verkraften, können nicht mehr entspannt reagieren und werden auf Überforderung nur dysfunktional reagieren (können).

Unternehmen, die Innovationsentscheidungen inkompetenten Teams, dummen Beratern oder innovationsimmunisierten „Experten“ überlassen, sind langfristig wirtschaftlich nicht mehr wettbewerbsfähig. Mangelnde Innovationsbereitschaft kann ein Anzeichen für systemfunktionsstörenden Konservativismus sein - allerdings müssen wir heutzutage berücksichtigen, dass solch tolerante Einschätzungen nicht mehr zweckführend wirken könnten, da Destruktivismus der neue Konservativismus ist. Im Grenzfall kann hierüber nur derjenige entscheiden, der die Konsequenzen der Innovation kennt. Dieser aber wird leider oft genug als Letzter oder gar nicht gefragt, sondern als Bedrohung empfunden oder für bedeutungslos erklärt.

Durch das Wegerklären von Faktizität gibt es keine faktische Argumentation mehr. In Konsequenz wird alles auf Beziehungsebene geregelt. Das Energieproblem und Klimaprobleme lassen sich so aber nicht lösen. Wirtschaftliche Probleme ebenfalls nicht. Die Schraube der Innovationsblockade hat schlussendlich internationale Konsequenzen. Hier werden Zusammenhänge von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik offenbar.

Wissenschaftler, die sozial eine gewisse Rolle spielen und die persönliche Brauchbarkeitsentscheidungen fällen, die durch ihre eigene Bequemlichkeit determiniert sind, üben auf ihr soziales Umfeld entsprechenden Einfluss aus.


Quis custodiet ipsos custodes? Wer aber bewacht die Wächter?


Dummheitsentscheidungen haben Folgen für uns alle. Wie können wir es schaffen, von Bequemlichkeitsentscheidungen auf Kompetenzentscheidungen umzustellen?

Der soziale Schaden kann weiter erahnt werden, wenn man sich vor Augen führt, welche Folgen beispielsweise Symmetrische Konflitke in den Internetmedien auf die Gesamtstimmung in der Bevölkerung und am Ende in der internationalen menschlichen Kommunikation haben. Sie sind ja nicht isoliert vom restlichen Leben der Menschen, sondern haben, beispielsweise im Mobbing, das Frauen sich gegenseitig auf Facebook antun, Stressfolgen für ihr Leben und wirken damit außerdem auf ihr direktes Umfeld und langfristig auf die emotionale Atmosphäre unserer Gesellschaft(en). Gerade der Versuch, Probleme auf Beziehungsebene zu lösen, führt dazu, dass der Konflikt nicht endet. Es gibt keine klare Möglichkeit, eine Begrenzung vorzunehmen wie bei körperlichen Auseinandersetzungen, die eine Energieproblematik mit sich bringen, welche ein Ende wahrscheinlicher macht: Man kann sich nicht ewig prügeln.

Vor einigen Jahren hat mir mal jemand zu einer meiner eigenen blöderen Ideen gesagt: „Kannst Du das auch verantworten?“

Diese Frage hat mir zu denken gegeben, und sie wurde zu einer zentralen Angelegenheit all meiner Entscheidungen: „Kann ich das verantworten, soundso zu denken, zu sprechen, zu handeln? Weiß ich wirklich genug? Wie muss ich mein Nichtwissen kennzeichnen? Wen muss ich fragen, um funktionale Antworten zu bekommen? ...“

Wenn wir uns umsehen, erleben wir eher eine (nachvollziehbare) Abwehr von fast allem, was überfordert. In der Schule haben die meisten gelernt, dass es schmerzhaft ist dazuzulernen, und ebenso empfinden die meisten es als sehr unangenehm, von anderen als dumm bezeichnet zu werden. Dabei spielt keine Rolle, ob es stimmt oder nicht und ob es gesagt wird oder nicht. Allein der Gedanke erschreckt, denn Dummheit wurde in der Schule negativ bewertet konditioniert. Das hieraus (sich komplex in Gesellschaft organisierend) entstehende Sozial- und Abwehrverhalten ist eine der Weiterentwicklung und (Neu-)Anpassung hemmenden Schwierigkeiten. In Organisationen versuchen geschickte Berater dem vermittels von Modellen Herr zu werden, die nicht den Fehler zu bestrafen vorschlagen, sondern die Fehlervertuschung. Ich halte das für einen wichtigen Anfang.


Für einen weiteren halte ich eine umfassende Kompetenzdiskussion, auch wenn das unangenehm wird.


Die vorhandenen Strukturen werden den aufkommenden Problemen und Komplexitäten nicht mehr gerecht. Damit meine ich nicht nur Schulen, sondern entsprechend Hochschulen, Universitäten und betriebliche Organisation, wie Politik.

Innovationsblockaden sind ein gewaltiges Problem, und sie verursachen massiven Schaden. Die Wirtschaft erkennt das erst sehr spät. Vor allem an Gewinnmaximierung interessiert, kann sie möglicherweise nicht sehen, dass es ihr langfristig schaden wird, wenn sie sich nicht um Intelligenzsteigerung und Gefühlsverfeinerung, um die Komplexitätsverarbeitungsfähigkeit der Menschen kümmert. Sie produziert weiterhin „was gebraucht wird“ und fördert vor allem Innovation, die steigende Bequemlichkeit gewährleistet - Innovation in sicherem, in (längst) bekanntem Terrain. Bedienerfreundlichkeit rules ... doch leider funktioniert das nur bis zu einem bestimmten Punkt, danach kommt es zu Backfire, und die Auswirkungen davon erleben wir bereits.

Ich könnte die großen Probleme auftischen: Klimawandel, Ressourcenmangel, Massenmigration, ... aber das sind Namen für gewaltige Komplexe kleinerer, feinerer Veränderungen, die wir alltäglich zu spüren bekommen und auf die Viele reagieren wie Frösche, die man in langsam wärmer werdendes Wasser wirft, um sie letztendlich zu kochen. Nach und nach wird es heißer, und Lebensrettungsmaßnahmen kommen aufgrund von Gewöhnung zu spät.

Wir sollten die Art und Weise, wie wir Entscheidungen fällen, ernster nehmen und genauer hinsehen, was wir tun, wie wir es tun und wozu wir es tun. Fangen wir damit an, wird uns eine Menge auffallen, das weniger angenehm ist.

Um zu verhindern, dass sich die Katze hier in den eigenen Schwanz beißt, bleibt nur, soziale Felder und Räume zu schaffen, in denen diejenigen Gehör finden, die die vorhandenen Statushierarchien zugunsten von Kompetenzhierarchien kritisieren und die keine Angst davor haben, sich an die Massen zu wagen.


In vielen Kompetenzfragen hat die mehrheitliche Haltung nichts verloren.


Unternehmer, die zuviel auf die Meinung ihrer Mitarbeiter geben, werden erleben müssen, dass sie das ihr wirtschaftliches Standbein kostet.

Wir müssen diejenigen fordern und fördern, die dazu in der Lage sind, Meinungen in Kompetenzurteile zu überführen. Dazu gehört, dass wir anfangen, denjenigen zuzuhören, die unbequem sind und die uns herausfordern, über uns selbst hinauszuwachsen.

Es ist nicht nur für Organisationen eine Frage des Überlebens! Auch in privater Hinsicht gilt: Wer es kann, sollte es machen, und wer nicht bereit (oder gar unfähig) ist, sich selbst herauszufordern, wird/muss erleben, wie ihn/sie das ihre/seine Beziehungen kostet. (Oder dass man es nur noch mit Menschen zu tun hat, die genauso beschränkt sind wie man selbst.)

In der Systemik hat sich in der letzten Zeit die Idee breit gemacht, alles Soziale sei Spiel und folge Spielregeln. Ich finde diese Notation irreführend und wohlstandssystemisch, so intellektuell herausfordernd sie erst einmal klingen mag. Sie kann (muss nicht) zur Folge haben, dass die Ernsthaftigkeit der Gesamtsituation und der Konsequenz der Einzelentscheidung übersehen wird. Sie hat sicherlich ihr kreatives Moment, aber sie ist auch Produkt einer Gesellschaft, die die Not nicht mehr wirklich kennt. Hinzu kommt das gar nicht so kleine Problem, dass es sich dabei erstens um ein deterministisches Argument handelt, das zweitens folgendes bedeutet: Sogar einfache deterministische Systeme, die einfachen Regeln folgen, entwickeln mit viel höherer Wahrscheinlichkeit als die Meisten erwarten (deterministisches) Chaos, wenn das „Spiel“ nicht ordentlich (ab)gepfiffen wird. Bei solchen Systemen lässt sich dann nicht mehr vorhersagen, wie sie sich entwickeln werden. Das lockere „Spiel“ verleitet dazu, ernsthafte Konsequenzen, wie beispielsweise Kriege, Hungersnöte, Klimakatastrophe nicht nur zu trivialisieren, sondern sogar zu ignorieren. "Es ist komplex(er)" wissen wir so langsam hoffentlich alle. Es wird Zeit für Respezifikation. Und in der geht ein solch dysfunktionales, um nicht zu sagen "verantwortungsloses" Spiel nicht ohne konkrete Markierung seiner Grenzen und Probleme.

Ohne Frage ergibt sich im Ganzen immer Unvorhersehbarkeit, das bedeutet aber nicht, dass es keine Sach- und Folgezwänge gibt und dass uns Relativismus (im Gegensatz zu Relativitätsbewusstsein) nicht in die Willkürherrschaft Unfähiger führt. Machen wir uns klar: Konstruktivismus und Systemtheorie sind (neben anderen) nicht nur Folge von Globalisierung, sondern mit Probleme/Herausforderungen zur Weiterentwicklung in/aus den Konsequenzen der Postmoderne.


Was kann getan werden?


Jedem, dem die Kompetenzprobleme bewusst werden, öffnet sich dadurch neuer Handlungsspielraum. Ich habe diesen oben durch die an mich selbst gestellten Fragen bereits angedeutet.

Folgende Punkte (von denen ich mir erhoffe, dass sie von meinen Lesern kreativ erweitert werden können) kommen hinzu:

  • Primus inter pares – Erster unter Gleichen: Wer es kann, entscheidet.

  • Teams, Zusammenschlüsse und Think Tanks sind nicht immer die beste Antwort auf Probleme.

  • Experten müssen kritisiert werden können. Wer auf Berater angewiesen ist, sollte diejenigen bevorzugen, die ihre Modelle respezifizieren können und die über die Fähigkeit verfügen, Neues zu lernen und einzuführen, auch wenn es unbequem ist. Solche Leute kommen im Zweifelsfall von Außen und oft genug ohne jede Form von Renommé, so dass es überlebenswichtig werden kann, sich immer wieder neu umzusehen.

  • Kompetenzfragen, die auf Widerstände stoßen, sollten als relevant erachtet werden: Hier spricht möglicherweise jemand ein Tabu an.

  • Vor allem, was sich in Cliquen/Szenen organisiert, sollte man ein gesundes Misstrauen entwickeln. Der Tabufaktor ist meiner Erfahrung nach hoch, schon die Sprachidiosynkrasien wirken innovationsfeindlich.

  • Sympathie darf bei Kompetenzangelegenheiten keine Rolle spielen, außer, Sympathie erzeugen zu können, ist ein wichtiger Part des Aufgabengebiets der betreffenden Person. Der Pression der Unfähigkeitsgesellschaft zu folgen, alles nett zu verpacken, ist nicht funktional. Vielmehr kann gefordert werden, dass sich alle, die es brauchen, einen Schemel oder eine Leiter für Augenhöhe nehmen, als Augenhöhe von demjenigen zu verlangen, der es kann, denn das bedeutet im Zweifelsfall Aufgabe der Kompetenz.
    ...

  • Hard- und Soft-Skills müssen gleichermaßen gefördert werden. Soft-Skills sollten auf ihre Softheit hin untersucht werden: Wer sich in Beliebigkeitsmodelle und reine Komplexitätsmodelle flüchtet, die Re-Spezifizierung aber verweigert, dem fehlt es an Kompetenz. Wohlstandssystemik ist gesamtgesellschaftlich dysfunktional und schädlich.

  • Zur Förderung gehört, dass jeder, der die Macht dazu hat, für sich die Aufgabe formulieren sollte, sie entsprechend zu nutzen. Wer erkennt, dass jemand kompetent ist, und wer etwas dafür tun kann, dass diese Kompetenz sozial maximal wirksam wird, ist meiner Ansicht nach dazu moralisch verpflichtet – von den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und sozialen Argumenten ganz zu schweigen.
    Macht korrumpiert ...

  • Zum letzten Punkt gehört: Rationale Argumentation zählt! Wer Rhetorik mit rationalen Argumenten verwechselt, spielt auf Publikum. Sich selbst in rationaler Argumentation auszubilden, ist eine Notwendigkeit in allen politischen Fragen – für wissenschaftliche gilt das besonders. Nur so geht Emanzipation.

  • Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, kompetentes Tun ist Platin. Im Bereich von Soft-Skills liefert der Kompetente die Argumente und klaren Richtlinien, die solvente Problemanalyse - im Bereich der Hard-Skills das Experiment, die Leistung, das Produkt. Schwätzer wollen das nächste Gespräch, ziehen nur blendend durch die Gegend und vermeiden die aktive Tat. Wer was kann, der macht es. Panjandrum-Sprech beeindruckt nur andere Angeber oder Leute, die abhängig denken.
    ...

  • Bildung, Bildung, Bildung.

  • Gesamtgesellschaftlich: Plattformen für intelligenten Aufbau von Selbstreferenz fördern.

  • Individuell: Lesen, Umsehen, Neues suchen.

  • Marketing in Frage stellen. Marketing ist der außer Kontrolle geratene Hausgeist der Kompetenz.

  • Populisten meiden.

  • Lehrer suchen, die was können. Finger weg von Meme-Dreschern, Angstmachern, Emotionalisierern, Rhetorikern und Weichspülern.
    ...

  • Insgesamt: Das Unbequeme (auf)suchen, Rationalität und Respezifizierung mindestens genauso fördern wie die Fähigkeit zu Feinsinnigkeit und Komplexität (eher mehr, denn nur auf sauberer rationaler Grundlage klappt die funktionale Systemanalyse). Fragen der Stabilisierungsnotwendigkeit von Individuen, Teams und Gruppen vor dem Hintergrund von Kompetenz neu stellen. Gesicherte und sozial geförderte Individualkompetenz ist die vernünftigste Antwort auf Probleme mit Unsicherheits- und Chaosmanagement. Passende Unbestimmtheitsorganisation verlangt eigenverantwortliches und kompetenzbewusstes Denken.


Bringen wir den Menschen in unserem Umfeld bei, dass sie etwas sagen und tun dürfen, wo sie es können, aber nicht müssen, wo das nicht der Fall ist.


Da wir hier massiv an Probleme der Selbstoptimierung stoßen, möchte ich dazu ein kritisches Wort äußern: Wir sollten aus dieser Angelegenheit keine Ideologie machen, sondern Kompetenz freundlich berücksichtigen. Selbstoptimierung kann in Selbstausbeutung münden. Der neoliberale Gedanke, der ohne weiterführende Respezifikation im Möglichkeiten-Ausschöpfen stecken gebliebene Turbolader der Systemik und der Drive von New-Age-Aktivismus, -Narzissmus und -Relativismus haben zur Folge, dass die Menschen am Ende keinen Raum mehr haben für cutting edge innovation. Das ist keine Frage von politischen Vorlieben oder Abneigungen, sondern eine Frage knallharter Resultate: Eine Gesellschaft, die die Kompetenzfrage nicht mehr der individuellen Auseinandersetzung überlässt und die gleichzeitig von den Menschen verlangt, immer mehr Nischen zu finden, um zu überleben, schafft erschöpfte oder denkfaule Individuen, die nicht mehr stressresilient sind. Solche Individuen ersetzen Resilienz durch Rigidität, Ideologie, emotionale Abwehrhaltungen und bereiten den Boden für Populisten, Nichtskönner, Schwätzer und Ideologen.

Was es braucht, ist meiner Ansicht nach eine neue Form von Gesellschaftsberater, Organisationsberater und Lebensberater: Berater, die vor allem Kompetenz im Auge haben und die nicht nur dabei behilflich sind, Kompetenz zu steigern, sondern zusätzlich dabei, zu erkennen, wenn und wann es an Komptenz fehlt und es an der Zeit ist, damit aufzuhören Kompetenz vorzugeben.

Denn: Kompetenz hat zwei Seiten: Inkompetenz und Kompetenz. Niemand muss in allem kompetent werden. Die Anforderung, ständig neue Möglichkeiten zu finden, führt leider oft genug dazu, dass die Menschen am Ende nicht mehr können. Fachspezifisches Wissen ist von Bedeutung. Natürlich muss sich der weiterbilden, dessen Fach es ist, andere müssen das nicht unbedingt, sondern nur insofern es für sie relevant ist. Da aber nicht jeder dazu in der Lage ist kompetent zu entscheiden, von welcher Bedeutung alles für ihn/sie ist, brauchen wir Menschen, die sich in ihren Fächern/Künsten/Handwerken kompetent machen und einander helfen.

Ebenso benötigen wir Menschen, die die Kompetenz entwickeln, anderen sagen zu können, wo sie nicht kompetent sind und Entscheidungen fällen, die ihre Fähigkeiten übersteigen. ... Wie es dringend mehr Menschen geben muss, die solchen Menschen Raum und Gehör schaffen.


Wir brauchen den Mut zu mehr und qualitativ steigender Kompetenzdiskussion!