Krisenfunktionale Kommunikationsökonomie und Wertschöpfung

Als der Mitbegründer des Scientific Management, der Ingenieur Frank Bunker Gilbreth (Vielen bekannt als die charismatische Vaterfigur aus dem Buch "Im Dutzend Billiger", geschrieben von seiner Tochter Lilian Moller Gilbreth und seinem Sohn Frank Bunker Gilbreth jr.) damals zu Zeiten der Produktion Fords Model T in die Betriebe ging, soll er gesagt haben: "Zeigen Sie mir den faulsten Kerl in Ihrem Laden. Ich meine den, der so faul ist, dass er Slipper trägt, weil er keine Lust hat sich die Schuhe zuzubinden."

Nun ist Taylorismus sicherlich ungeeignet für komplexe Systeme wie Kommunikation. Wir werden niemals aus Kommunikationsorganisation herauskommen, und auch die beste KommunikationsFORM hält immer wieder Überraschungen für uns bereit. Nichtsdestotrotz verschlingt dysfunktionale Kommunikation in Organisationen jährlich Millionen (insgesamt sogar Milliarden), sorgt für soziale Probleme am Arbeitsplatz und zuhause, was sich systemisch auswirkt und entsprechend wieder bei den Organisationen landet. Wer keine Lust hat sich ständig zu streiten und mit Brainfog durch die Gegend zu laufen, wird sich halt geistige Slipper anschaffen, um nicht immer wieder über die eigenen aufgehenden Schnürsenkel zu stolpern.

Können sich Organisationen in gut laufenden Zeiten noch überflüssige Kommunikationsprobleme leisten, steht die Kommunikationsökonomie spätestens dann als Thema im Raum, wenn die ersten einer absehbaren Kette von Krisen auf die Unternehmen zukommen.

Den wirtschaftlichen Vorteil hat, wer krisenfunktional kommunizieren und damit organisieren kann. Das wird umso klarer, wenn wir uns vor Augen führen, dass die Funktion eines Unternehmens darin besteht, Kommunikation so zu organisieren, dass das Unternehmensziel so realisiert werden kann, dass Gewinne gemacht werden - sei es durch die Produktion von Matratzen, sei es durch Beratung.

Nun wird immer mehr Organisationen bewusst, welch zentrale Rolle Mitarbeiterzufriedenheit insbesondere dort spielt, wo die Kommunikationsorganisation Kreativität motivieren muss. Dabei wurde in der Vergangenheit - auch mangels anderer Modelle und Methoden - großer Wert auf den emotionalen Part gelegt.

Krisenfunktionale Kommunikation bedeutet jedoch nicht, sich auf der Beziehungsebene gut verstehen zu müssen. Es spielt keine Rolle, welchen Ton das Gegenüber anschlägt, sondern es kommt darauf an, so effizient und effektiv zu kommunizieren, dass Ressourcen zukunftsförderlich eingesetzt werden können.

Insofern kann jemand, der krisenfunktional kommunizieren kann, darauf achten, dass Andere sich nicht auf den Schlips getreten fühlen müssen, weil das häufig bedeutet, dass viel Zeit und Energie dafür aufgebracht werden muss, Gefühle zu beruhigen.

Allerdings wird jemand, der krisenfunktional kommunizieren kann, dafür sorgen, dass auch Andere das können, so dass verletzte Gefühle dort, wo es drauf ankommt, insgesamt keine so große Rolle mehr spielen müssen.
Ein großer Teil des heutigen Kommunikationsberatungsapparats setzt auf gute Gefühle.
Das ist kein(!) krisenfunktionaler Ansatz, sondern den muss man sich leisten können.

Auf Beziehungsebene zu setzen, statt auf Resilienz von Individuum, Organisation und Gesellschaft, heißt, langfristig nicht nur auf das teurere, sondern auch auf das langsamere Pferd zu setzen.

Viel wirksamer funktioniert der emanzipatorische Weg. Das bedeutet zwar, Mitarbeiter und Organisation stärker herauszufordern, aber Menschen, die gelernt haben krisenfunktional zu kommunizieren, werden nicht so leicht getriggert, und sie verschwenden auch nicht so gern ihre Energie für KommunikationsFORMen, die uns dem Ziel zu langsam oder gar nicht näher bringen oder die es sogar stören.

Dass das Ganze auch mit emotionalem Vorteil für Mitarbeiter und Management kommt, wird klar, wenn wir uns vor Augen führen, dass kognitiv und kommunikativ stabile Menschen mehr Zeit für Eigenes haben und weniger Zeit damit verschwenden müssen, sich in dysfunktionalen KommunikationsFORMen und inneren Dialogen aufzureiben.

Auf kognitive und kommunikative Emanzipation zu setzen heißt, auf kognitiven und kommunikativen Sachverstand und Freigeistigkeit zu setzen.

Krisen werden nur mit Sachverstand bewältigt und das effizient und effektiv. Wer Emotionen und Beziehungsspiele quer schießen lässt, muss sich später ansehen, wie den sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Vorteil jene nutzen und leisten, die gelernt haben, Sachebene vor Beziehungsebene zu stellen.

Um kommunikationsökonomisch klug organisieren zu können, müssen die an Krisenbewältigung Beteiligten entsprechend ökonomisch kommunizieren können. Liegt dabei das Hauptaugenmerk auf emotionaler Zufriedenheit, sabotiert schlussendlich immer der emotional und kommunikativ Schwächste die Organisation und bestimmt, was möglich ist und wie kommuniziert werden kann, ja sogar darf. Wir kennen das von Teambesprechungen und aus Seminaren und Workshops: Wer die emotionale oder sogar histrionische Karte zieht, erhält die Aufmerksamkeit - und entzieht sie damit Organisation und Ziel.

Auch das muss man sich leisten können ...

Kommen in systemischer Selbstorganisation eingewachsene dysfunktionale Kommunikationsdynamiken hinzu, die Ablauf und inhaltliche Erfolge von Besprechungen zum Beispiel organisieren, können Unternehmen gewaltige Summen für dysfunktionale Kommunikation aufbringen, ohne es zu merken oder zumindest ohne zu wissen, wie sie das beheben sollen. Kommunikations- und Organisationsberater mit emotionalem Werkzeugkoffer erreichen dann höchstens, dass sich die Stimmung verbessert, das muss sich aber keinesfalls auch in der Bilanz niederschlagen.

Nun haben wir es bei Corona mit einer ersten einer Kette von Krisen zu tun, die Organisation und Mensch bis an ihre Grenzen testen werden. Die Folgen der Klimakrise werden uns Corona als vergleichsweisen Schluckauf zeigen, wenn Markt, Wissenschaft und Politik jetzt nicht gemeinschaftlich reagieren.

Es kommt darauf an, so viel wie möglich zu lernen, um so viel Wissen wie möglich in die nächste Krise mitzunehmen. Das ist umso wichtiger, da wir augenblicklich noch die Reserven haben, uns noch Maßnahmen leisten können, die uns später wie Luxus vorkommen könnten, nutzen wir die Chancen nicht, die uns Corona öffnet.

Dazu gehört auch, sich kommunikationsökonomisch aufzustellen, um im eigenen Hause krisenfunktionale Kommunikation zu fördern und Resilienz von Mitarbeitern und Organisation zu steigern.

Ich will an einem Beispiel zeigen wie das umgesetzt werden könnte:

1. Arbeitszeitersparnis, bzw. Arbeitszeitfreisetzung

Viele bemerken jetzt im Home-Office, dass sie sehr viel weniger Zeit für ihre Arbeit benötigen. Besprechungen und Kommunikationsrituale zur Aufrechterhaltung der Stimmung entfallen zu weiten Teilen schon allein deshalb, weil Menschen im Home-Office konzentrierter arbeiten möchten und nicht nur weniger Gelegenheit zum ständigen Händeschütteln und für Sozialgeräusche haben, sondern auch, weil sie merken, wie energieintensiv diese sind. So Mancher berichtet von Arbeitszeitersparnis von 30 oder 50 Prozent - ich habe sogar schon gehört, dass 8 Stunden Arbeit in nur 2 erledigt werden konnten.

Das bedeutet natürlich nicht, dass alles, was momentan im Lockdown praktiziert wird, Organisation und Mitarbeitern Zeit und Kosten erspart, aber Vieles wird übernommen werden können, weil es sich als besser herausgestellt hat. Dabei hängen auch hier Effizienz und Effektivität von Home-Office davon ab, wie resilient der Mitarbeiter denken und kommunizieren kann und wieviel dieser Resilienz die Organisation verkraften will.

Unternehmen sind sich selbst und ihren Mitarbeitern dazu verpflichtet, sich kostensparend und möglichst wertschöpfend zu organisieren. Was mit Home-Office kommt, sollte jetzt gründlich untersucht werden, um Arbeitszeit - und damit Arbeitsplätze - frei zu schaufeln, die in krisenfunktionale Kommunikationsökonomie und Wertschöpfung verwandelt werden kann, bzw. können.

Dadurch werden auch betriebliche Raum- und Energiekosten, sowie Managementkosten eingespart, und soziale, ökologische und wirtschaftliche Ausgaben für Fahrten hin zur und zurück von der Arbeit entfallen, was auch fürs Klima gut ist.

Nun wäre es ein Fehlschluss, davon auszugehen, dass frei werdende Arbeit bedeutet, den Mitarbeitern mehr Arbeit aufhalsen zu können. Wer so denkt, wird erleben, dass viele Mitarbeiter beginnen werden, den begonnenen Effizienzprozess wieder auszubremsen, um sich selbst vor Überlastung zu schützen. Viel klüger ist, frei werdende Arbeitskraft zu motivieren kreativ zu werden und sich selbst zu organisieren.

Das Unternehmen erhöht seinen Nachhaltigkeitsfaktor für die Gesellschaft und kann dazu noch Kosten einsparen. Das unter der Maxime "Ein zufriedener Mitarbeiter ist ein besserer Mitarbeiter" gemacht, könnte 6-Stunden-Arbeitstage für Viele ermöglichen bei höherer Arbeitseffizienz des Einzelnen und von Teams.

Lernen können Unternehmen viel von Programmierern und wie diese miteinander kommunizieren. Dort spielen Beziehungen eher eine untergeordnete Rolle, die kurzen Debugging-Schleifen führen häufig zu hoch konzentriertem, bedeutungsdichtem Austausch. Die Sache steht im Vordergrund. Das lässt sich natürlich so nicht Eins zu Eins auf kreative Teams übertragen, aber das heißt nicht, dass wir davon nicht lernen könnten.

2. Wertschöpfung

Nun wäre natürlich denkbar, wie ein Dinosaurier aus dem letzten oder vorletzten Jahrhundert zu denken, sich darüber zu freuen, dass hier Zeit und damit Geld gespart werden kann und fertig.

Allerdings wird so ein Dinosaurier langfristig (und das kann heutzutage bedeuten: in zehn oder sogar schon fünf Jahren) nicht zukunftsförderlich, ja nicht einmal nachhaltig dabei bleiben können, denn alle Form von Ausbeutung kommt auf einem runden Planeten früher oder später in unserem eigenen Rücken wieder an.

Wer hier kommunikationsorganisagtorisch nicht dazu lernt und frei werdende Arbeitskraft nicht dafür einsetzt, krisenfunktionale Kommunikationsökonomie zu lernen und im Unternehmen anzuwenden, wird nicht nur Märkte verlieren, sondern wird langfristig nicht mehr mitspielen können.

Man mag weiter versuchen, auf Schwellen- und Drittweltländer auszuweichen und auszubeuten, was das Zeug hält, aber all das, was auf menschliche Kreativität und Intelligenz angewiesen ist - und das ist bei weitem mehr, als das häufig den Anschein hat, wie Lean-Projekte in Japan deutlich zeigen - kostet Zeit. Und je näher die Krisen rücken und je intensiver sie wirken, desto mehr zerren sie an der Komplexitätsbewältigungsfähigkeit von Mensch, Organisation und Gesellschaft.

Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, in der Viele keine fünf Wochen im Lockdown aushalten, ohne emotional (und vor allem kognitiv und damit kommunikativ) an sensorischer und sozialer Deprivation zu scheitern. Es kommt zu steigender häuslicher Gewalt, steigendem Alkoholkonsum, zunehmenden psychischen Erkrankungen.

Das hat unter anderem damit zu tun, dass Viele nie wirklich gelernt haben zu lesen, zu schreiben, klar zu sprechen und gründlich zuzuhören. Kaum jemand kann bewusst Kommunikation funktional organisieren. Systemisches Programmieren beherrschen vielleicht Fußballtrainer, aber ansonsten ist diese Fähigkeit nicht weit verbreitet. Die Komplexitätsmanagementfähigkeiten von Individuum, Organisation und Gesellschaft bestimmen Maß, Umfang und Qualität krisenfunktionaler Kommunikationsökonomie und Wertschöpfung.

Nun lassen sich KommunikationsFORMen heute mit mathematischer Präzision untersuchen, und wir können ihr Outcome als artifizielle Emulation laufen lassen und so feststellen, ob es funktional ist oder nicht. So können wir auch kreative Teams, Rollenvorstellungen und Kommunikationsabläufe auf ihre Fähigkeit krisenfunktional systemisch zu programmieren hin abklopfen und herausfinden, was für sie die passenden KommunikationsFORMen sind. Was Programmierer aufgrund ihres Aufgabenbereichs können, lässt sich tatsächlich heute über Kybernetik 3. Ordnung adäquat auf andere Teams übertragen.

Die Unternehmen, die Home-Office (als ein Beispiel) nutzen, um künftig kostensparender mit Arbeitszeit umzugehen und somit nachhaltiger für den Planeten zu arbeiten, sollten frei werdende Arbeitszeit nutzen, Mitarbeiter dazu auszubilden, bzw. ausbilden zu lassen, Kommunikation krisenfunktional organisieren zu können. Kommunikation und nicht Information wirkt als maßgebender Faktor in der Emergenz, die ich Wirklichkeitsemulation nenne.

In Wirklichkeitsemulation sehen sich die Meisten kommunikativen Riesenwellen ausgeliefert und wirken somit als Teil des Problems. Sie können noch nicht bewusst darüber entscheiden, an welcher Kommunikation sie wie teilnehmen wollen, um mit dazu beizutragen, sie in die Richtung hin zu orientieren, die nachhaltiger wirken kann.

Organisationen werden kommunikativ krisenfunktional ausgebildete Mitarbeiter nicht nur dafür benötigen, das eigene Unternehmen entsprechend kontinuierlich zu überwachen und zu trainieren, sondern sie können die daraus sich öffnende Marktchance nutzen und Selbständigen, Freiberuflern, Politikern, anderen Organisationen anbieten, sie entsprechend darin zu unterstützen.

Da zu krisenfunktionaler Kommunikationsökonomie auch Konzeptklarheit gehört, sollte die Ausbildung diesen Part beinhalten. Wir bauen dazu gerade die FORMWELT Online-Plattform, damit das so effizient und effektiv wie möglich umgesetzt werden kann.

Machen wir uns bitte eindringlich folgendes klar:

Mensch, Politik und Organisation lernen aus Krisen für gewöhnlich langfristig eher nicht. So begeistert auch Viele davon sind, was für große Chancen Corona auftut: Unternehmen werden sich nicht einfach so ändern. Das Ziel von Unternehmen ist nun einmal und wird auch bleiben, Gewinne zu machen und am besten noch Gewinne zu steigern.

Es ist naiv anzunehmen, dass sich das durch Corona ändert, im Gegenteil ist eher zu erwarten, dass sehr schnell zu alten Gewohntem zurück gekehrt wird und dass Marktvorteile vertan werden. Das damit verbundene Abgrenzungsdenken macht wahrscheinlicher, dass wir auf eine große Wirtschaftskrise zulaufen. Und schon werden Stimmen laut, die darum bitten, Klima-relevante Auflagen erst einmal zurückzustellen (als wäre das optional), damit sich die Unternehmen von den durch Corona verursachten Ausfällen erholen können.

Insofern muss unsere Aufgabe nun darin bestehen, klipp und klar darauf zu verweisen, dass das ein fataler Fehler wäre, der langfristig unternehmerisch gefährlich wird, denn, wie gesagt, Corona ist erst der Anfang, ein Schluckauf im Vergleich zu den Krisen, die noch auf uns zukommen.

Hier und jetzt ist (noch) die Zeit, ökonomisch klug zu denken, Kosten zu sparen, auf deren Einsparungsmöglichkeit Corona uns verweist und die so frei werdenden Kapazitäten zu nutzen, weitere Kosten einzusparen und klüger einzusetzen, nämlich die Kosten, die miese Kommunikationsökonomie mit sich bringt.

Weiterführende Links:
https://formwelten-institut.com/de/weiterbildung
http://uformiform.info
http://formwelt.info
http://formwelt.media
https://carl-auer-akademie.com/blogs/systemzeit/
https://blog-conny-dethloff.de
https://blogs.eurac.edu/covid-19/gesellschaftliche-resilienz-fathi/