Drosten oder Wodarg? Rhetoric matters

Bewusstsein für Rhetorik und Sprachmuster spielen in Krisen deshalb eine zentrale Rolle, da Rhetorik und Sprachmuster ganz besonders in den kommunikativen Riesenwellen in Wirklichkeitsemulation mit steuern, wie Gesellschaften auf Krisen antworten, wie sie sie prozessieren und wie die betroffenen Menschen damit umgehen und umzugehen bereit sind.

Sie entscheiden über die KonfliktFORMen, die wir auf Funktionalität hin untersuchen und evtl. entsprechend umzusteuern versuchen müssen.

Nun sind beide leider noch keine Lehrfächer an den Schulen, weshalb Viele nicht nur eigener und fremder Rhetorik oft schutzlos ausgeliefert sind, sondern häufig nicht einmal wissen, dass sie nicht wissen, dass sie gerade in eine - bewusst oder nicht bewusst gestellte - rhetorische Falle getappt sind.

Sich faschistoid organisierende Ideologien leben davon, dass Menschen was das angeht, ungebildet bleiben.

In den letzten Tagen haben in Deutschland zwei Epidemie-Fachleute von sich reden gemacht, die beide interessante Punkte zur Sprache bringen COVID19 und das Virus SARS-CoV-2 betreffend:

Christian Drosten, Virologe an der Charité, Berlin
und
Wolfgang Wodarg, Lungenfacharzt und Politiker

Dabei konzentriert sich:

Christian Drosten auf die Risiken für die Bevölkerung, hier insbesondere vorerkrankte und ältere Menschen, liefert die neuesten Daten und spricht über die potenziellen Probleme von Krankenhäusern, Laboreinrichtungen und Personal, https://www.youtube.com/watch?v=Zr8B6gkOkMc

während

Wolfgang Wodarg Panik, Zweifel am Test, mögliche andere Ursachen und Corona-Viren (als normal beteiligt an den winterlichen Atemwegserkrankungen) anspricht.
https://www.facebook.com/Frontal21/videos/veranstaltungen-werden-abgesagt-schulen-bleiben-geschlossen-tausende-menschen-si/183962906387681/

Ich möchte dazu auffordern, sich beide von der sprachlichen Seite und nicht so sehr von der inhaltlichen her anzuhören, um ein Gefühl dafür zu bekommen, dass und wie ihre unterschiedlich notierten Sprachmuster tatsächlich nicht nur unterschiedliche Probleme ansprechen,

nämlich bei

Wodarg Skepsis an Vorgehen und Tatsächlichkeit des Falls und bei
Christian Drosten Schutzthemen,

sondern auch unterschiedlich orientierte und orientierende Folgekommunikationen auslösen.

So konzentriert sich Christian Drostens "Wir wissen es noch nicht" in Richtung: Da ich es nicht weiß, rate ich umsichtig zu drastischeren Maßnahmen, um den Fall der Fälle auszuschalten,

während sich Wolfgang Wodargs "Wir wissen es noch nicht" gesamt eher dahin richtet, das Phänomen in Frage zu stellen.

Wer hierüber kurz nachdenkt, mag erkennen, dass beide sozial unterschiedlich wirken (werden):

Drosten bemüht sich um die Menschen. Er motiviert zu Schutzmaßnahmen.
Wodarg bemüht sich um den Zweifel. Bei ihm lässt sich leichter ideologisch oder verschwörungstheoretisch andocken.

Beide führen wissenschaftliche Argumente an.

Beide führen in unterschiedliche Verantwortungsräume:

der Eine in Schutzfragen praktischer Natur, der Andere in Schutzfragen, bzw. Verantwortungsfragen dafür, wie wir anschließend das Thema weiterkommunizieren.

Wie jetzt damit umgehen?

Ganz einfach: Wir bringen Zeit ins Spiel.

Worum geht es bei Christian Drostens Argumentation?
Dass wir unsere Schwachen und Schwächsten beschützen. Wir retten Menschenleben, und das auch dann, wenn die Reaktion möglicherweise überzogen ist. Da wir das noch nicht wissen können, lautet die einfache Frage: Können wir die Verantwortung übernehmen, Menschen sterben zu lassen, die wir vielleicht hätten retten können?

So gefragt, spielt keine Rolle, ob die Tests die Resultate verfälschen und COVID19 kein neues Phänomen darstellt, sondern es geht grundsätzlich nur darum, Menschenleben zu retten. Dass wir das dann auch in den früheren Wintern schon hätten tun können, entführt die Diskussion wieder auf eine rhetorische und theoretische Ebene, die die Frage nach "Menschenleben retten jetzt!" nicht beantworten kann.

Und worum geht es bei Wolfgang Wodarg?
Darum, das Phänomen winterliche Atemwegserkrankungen global gründlicher zu untersuchen, um langfristig angemessene(re) Verfahren zu entwickeln, die
a) wirtschaftliche und soziale Schäden durch Überreaktionen besser einzudämmen helfen und die
b) verhindern, dass wir in Panik ausbrechen und die Infektionen gerichteter behandeln können, als das jetzt gerade passiert.

So auseinander gezogen können wir sauberer argumentieren und verhindern, wertvolle Energie in Diskussionen zu verpulvern.